geschrieben von N. Zwanzig am 11.10.2017
Spektakuläre Zweischneidigkeit
Es ist eine spannende Phase des Duells zwischen EA's Fifa und Konamis Pro-Evolution Soccer. Denn in diesem Jahr bauen beide Titel auf den im Vorgänger eingeführten Neuerungen auf. PES machte dabei einen sehr guten Job. Wie sich Platzhirsch Fifa 18 schlägt und wer im Vergleich die Nase vorn hat, erfahrt ihr in unserem Test.
Der Jäger kehrt zurück
Am besten wird der Ansatz der Kontinuität im Storymodus ?The Journey: Hunter returns? ersichtlich. Nach seinem Durchbruch ist Protagonist Alex Hunter nun reif für den nächsten großen Karriereschritt. Titelgewinne und das Spiel mit und gegen die Größen des Weltfußballs stehen auf seiner Agenda ganz oben. Hunters Geschichte ist in Fifa 18 angenehmer zu verfolgen, da die Balance zwischen Videosequenzen und Einsätzen auf dem Feld verbessert wurde und somit weniger Längen entstehen als im Vorgänger. Leider schwankt die Qualität der Kapitel stark und die anfängliche Begeisterung schwindet nach der ersten Saison merklich. Dies liegt unter anderem daran, dass man selten das Gefühl hat, wirklich Einfluss auf Hunters Schicksal zu haben. Zu oft hat man den Eindruck, dass es im Prinzip egal ist, welche Dialogoption gewählt wird, da letztendlich der nächste Schritt bereits vorherbestimmt ist. Es heißt also Zuschauen statt Mitmachen und somit bleibt ?The Journey? etwas hinter dem Potenzial und stellt wieder eine nette Dreingabe statt einer ernstzunehmenden Singleplayer-Alternative dar.
Im Kern bleibt sich der Rest von Fifa 18 treu. Spektakel und authentische Präsentation gehen über Realismus auf dem Feld. Eines kann man nach wenigen Spielen bereits feststellen: Fifa 18 sieht grandios aus und erzeugt eine einzigartige Atmosphäre wie man sie vor großen Spielen im Fernsehen kennt. Stadien und Spielermodelle erstrahlen in detailgetreuem Glanz und auch kleine Details wie charakteristische Gesten oder gar die Zuschauer auf den Rängen sind einen zweiten Blick wert. Die dynamischen Lichteffekte tun ihr Übriges, um Fußball-Enthusiasten endgültig zu verzaubern.
Football-Action-Movie
Die schönste Hülle nützt jedoch nichts, wenn der Inhalt nicht stimmt. Auf dem Platz offenbart Fifa 18 relativ schnell eine seiner größten Schwächen, nämlich den Fokus auf totale Offensive. Zwar kommt es auch im echten Leben zu epischen Angriffsduellen mit offenem Visier, jedoch sehr selten und zeitlich begrenzt. Auf der Konsole hingegen scheint es in Fifa 18 der Normalzustand zu sein, dass 90 Minuten Vollgas-Fußball und Torabschlüsse am laufenden Band das Geschehen bestimmen. So spektakulär und spaßig das im ersten Moment sein mag, stellt sich schnell Frustration ein, da der Gegenpart zur Attacke oft nicht befriedigend ausfällt. Ungewöhnlich hohe Ergebnisse sind oft die Folge und hinterlassen einen bitteren Beigeschmack. Was nützt einem ein Abwehrbollwerk wie das von Juventus Turin, wenn man die gegnerische Offensive doch nicht in den Griff bekommen kann? Distanzschüsse und Volleys landen viel zu oft im Netz und lassen den Spielverlauf teilweise extrem unglaubwürdig wirken. Die Ballkontrolle wurde durch neue Dribbling-Mechaniken erleichtert. Das klingt erstmal positiv, jedoch relativiert sich dies, wenn Star-Spieler scheinbar mühelos im Vollsprint die Gegenspieler umkurven und in manchen Situationen nahezu untrennbar mit dem Ball verschmelzen, sodass verteidigen kaum noch möglich ist. Hinzu kommt, dass auch das Passspiel etwas zu präzise daherkommt und Abspiele fast immer ihr Ziel finden, wenn nicht gerade ein Gegenspieler genau zwischen Absender und Empfänger steht. Das macht clevere Verteiler wie Nemanja Matic oder N'Golo Kante weniger wertvoll als sie eigentlich sind, was schade ist. Zwar ist das Spiel durch den offensiven Fokus zugänglicher für Einsteiger und wird Highlightvideos mit Content füttern, jedoch gerät Fifa 18 auf dem Platz dadurch auch zu einer ziemlich eindimensionalen Angelegenheit, die Langzeitspaß vermissen lässt.
Nach wie vor ein wichtiger Eckpfeiler für viele Spieler ist der Fifa-Ultimate-Team-Modus (FUT). Das weiß auch EA und spendiert der beliebten Spielvariante ein paar Neuerungen. So haben jetzt auch Einzelspieler mehr zu tun und können in "Squad Battles" gegen erstellte Mannschaften anderer Spieler antreten, deren Kontrolle jedoch die KI übernimmt. Eine nette Idee für die Spieler, die sich nicht dem Druck von Online-Matches aussetzen möchten. Mit Legenden wie Maradona, Ronaldinho, Del Piero oder Henry, den sogenannten FUT Icons, welche in drei verschiedenen Ausführungen je nach Karrierephase enthalten sind, könnt ihr nun euer Dreamteam verstärken, was gerade Nostalgiker sehr freuen wird. Auch der restliche Umfang kann sich wie immer sehen lassen. Neben den zahlreichen bestehenden Exklusivlizenzen für die weltweiten Topligen ist dieses Jahr, die seit Jahren von der Community verlangte Lizenz für die 3. Liga vorhanden, was für Fans von Traditionsclubs wie dem 1. FC Magdeburg, Hansa Rostock, dem SV Meppen, Fortuna Köln oder dem Karlsruher SC einen echten Segen und zugleich Kaufargument darstellt. Weiterhin nicht vorhanden sind die Lizenzen für die UEFA Champions und Europa League, welche bei der Konkurrenz PES liegen. Das ist aber der einzige Wermutstropfen in Sachen Lizenzvielfalt.
Fazit
Fifa 18 macht vieles richtig: Der Umfang überzeugt online und offline, Alex Hunters Reise ist kurzweilig, Optik und Atmosphäre sind Weltklasse - doch gibt es auch einen Haken. Dieser ist ausgerechnet das Gameplay, der eigentliche Kern einer Sportsimulation. Hier fehlt leider die Balance zwischen spektakulärer Offensive und defensiver Kontrolle. Wer Lust auf viele Tore hat und viel Wert auf Lizenzen legt, darf getrost zugreifen. Will man realistischen Konsolenfußball und kann Abstriche in Sachen Präsentation und Umfang machen, schenkt man in diesem Jahr PES 2018 sein Vertrauen.
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