geschrieben von N. Kutra am 19.06.2016
Es wäre von mir gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich mich nicht
wie ein kleines Mädchen gefreut habe, als ein weiterer Teil zu „Mirror’s
Edge” angekündigt wurde. Jetzt ist
die Vollversion endlich da und ich hab mich kopfüber in die sterile
Stadt von Glass gestürzt. Warum das Spiel dem Namen nicht ganz gerecht
wird aber dennoch kein schlechter Titel ist, erfahrt ihr im
folgenden Review.
Da es sich bei „Mirror’s Edge Catalyst” um ein Reboot handelt, wird auch
die Geschichte von Faith neu erzählt. Die Eltern von Faith werden von
Gabriel Kruger, einem der mächtigsten Menschen im Konglomerat aus
verschiedenen Firmen-Familien, die Glass unter ihren Fittichen haben,
getötet. Auch ihre Schwester Cat kommt bei dem Fluchtversuch durch einen
Tränengas-Angriff ums Leben. Viele Jahre später kommt Faith nach
zweijähriger Gefangenschaft wieder in die Freiheit und wird dort sofort
wieder in ihren alten Runner-Job eingeführt. Denn nicht nur Krugers
Pläne, die die Menschheit noch weiter unterjochen werden, scheinen sich
dem Finale zu nähern, sondern auch die extreme Untergrund-Gruppe Black
November geht immer radikaler vor. Als Kraft zwischen den beiden
Positionen wird Faith immer weiter in den Konflikt gezogen.
DICE hat früh angekündigt, dass der Story
einen neuen Stellenwert gegeben wird. Ich grübel kurz, denn „Mirror’s
Edge” stand nicht für eine ausschweifend inszenierte Geschichte. Leider
bewahrheiten sich die Befürchtungen, denn die fünfzehn
Hauptmissionen brillieren nicht durch die Cutscenes und die darin
agierenden Charaktere. Ob nun alte Bekannte aus dem ersten Teil oder
auch gänzlich neue Charaktere – zu keinem kann man eine wirkliche
Beziehung aufbauen, da sie allesamt entweder nur flüchtig vorkommen oder
einfach zu stereotypisch handeln. Selbst Faith, die fast die ganze
Zeit als bedrückte junge Frau dargestellt wird, die aber dennoch stark
sein kann, kann nicht wirklich überzeugen. Lediglich Plastic, eine junge
Hackerin, bringt ein wenig Leben in die kühle Stadt. Auch der Plot an
sich ist eher zu vernachlässigen. Schon nach wenigen Missionen wird man
wissen, in welche Richtung es gehen wird und auch der Twist ist so
peinlich konstruiert, dass man nur noch verschämt weggucken möchte.
Anstatt einfach nur in einem vorgegebenen Areal den schnellsten Weg zu
finden, gibt es nun eine Open World. Diese versprüht wieder den gleichen
futuristischen Charme mit einem sehr klaren Clean und den wenigen
Akzentfarben. Letztere dienen auch dafür, die einzelnen Stadt-Teile
untereinander abzugrenzen. Leider findet der Hindernislauf durch Glass
mal wieder nur auf den Dächern oder ganz im Untergrund statt. Ein
bisschen Offener auch mit einem belebten Straßenlevel hätte es für eine
Open World schon sein dürfen. Auch die Hoffnung, dass man sich seinen
ganz eigenen Weg durch die Welt finden kann, bleibt auf der Strecke, da
man doch wieder nur der Runners Vision folgt und sich abseits davon
schnell verlaufen wird beziehungsweise nur ganz leicht abweichen wird.
Sowieso ist die Stadt sehr karg gestaltet. Man sieht sich nach kurzer
Zeit an allem satt, obwohl man erst in wenigen Gebieten unterwegs war.
Das kommt daher, dass trotz der Akzentfarben die gesamte Architektur
sich nur minimal bis gar nicht verändert. Ein weiteres Problem sind die
unnützen Sammelgegenstände, die überall und in hundertfacher Ausgabe in
der gesamten Welt verteilt sind. Dadurch bekommt man schnell das Gefühl,
man würde wie eine Katze einem Laserpointer hinterher hechten, nur um
irgendetwas aufzusammeln, was man sich am Ende dann nie wieder anschauen
oder anhören wird. Auch das Skill-System von Faith fühlt sich einfach
falsch an. Vor allem die Skills für die Bewegung, wo auch elementare
Fähigkeiten, wie das Rollen oder das schnelle Umdrehen, mitinbegriffen
werden, sind fehl am Platz und sollten von Anfang an möglich sein. Zwar
dauert es nicht lange, bis man sich diese Kaufen kann aber allein da sie
vom Spiel im späteren Verlauf vorausgesetzt werden, zeigt, dass diese
Art des Fortschritt-Systems einfach keinen Platz in „Mirror’s Edge” hat
und aus irgendeinem unerklärlichen Grund eingebaut wurde.
Um das Trio der Enttäuschung komplett zu machen, muss ich leider auch
auf den Kampf eingehen. Es ist zunächst zu begrüßen, dass man nicht mehr
mit Waffen schießen kann, da es sowieso nie nötig war und man meist
schneller war, einfach an den Gegnern vorbei zu laufen. Dieses Mal hatte
DICE die Idee gehabt, den Kampf in die Bewegungen einzubauen, damit der
Flow nicht unterbrochen wird. Dafür verwendet man dann leichte und
starke Attacken, die verbunden werden mit Wandläufen, hohen Sprüngen und
mehr. Dabei merkt man genau, warum ein Gegner nur an einem bestimmten
Punkt steht. Denn entweder sind sie extra nah an den Elementen, um sie
direkt zu erledigen oder man muss sie mit dem langsamen Nahkampf
erledigen.
Allein, dass ich schon langsam bei einem Spiel wie „Mirror’s Edge”
niederschreibe, zeigt, dass der Kampf nicht gerade das Gelbe vom Ei ist.
Im direkten Nahkampf muss man die Gegner gegen Wände oder Geländer
treten, um sie aus der Balance zu bringen, wodurch sie dann mehrfach mit
den Fäusten bearbeitet werden können. Das Ganze fühlt sich aber einfach
nur langsam an und unterbricht den Flow, der ja eigentlich so wichtig
ist. Das wird noch einmal dadurch verschlimmert, dass DICE dem Kampf
einen höheren Stellenwert zugesprochen hat. Mittlerweile gibt es
innerhalb der Missionen mehrere Szenen, in denen man alle Gegner
erledigen muss, um weiter zu kommen. In diesen Arenen läuft man dann die
ganze Zeit im Kreis und versucht irgendwie, die Gegner in die Falle zu
locken, um sie mit den stärkeren Attacken zu erledigen. Das macht
einfach keinen Spaß und nimmt dem Spiel einfach die so wichtige
Geschwindigkeit.
Warum aber stelle ich dann in der Einleitung die These auf, dass
„Mirror’s Edge Catalyst” doch nicht schlecht ist, obwohl ich mehrere
Abschnitte lang die Enttäuschungen aufzähle? Das liegt ganz klar an dem
Gefühl, das durch das Gameplay vermittelt wird. Während man durch die
Missionen läuft, hat man immer noch den gleichen Spaß wie damals und
fühlt sich in das Jahre 2008 versetzt, als man in den schlauchigen
Levels seinen ganz eigenen Weg gesucht hat, um so schnell wie möglich
von A nach B zu kommen. Genau dieser Aspekt ist auch immer noch
vorhanden, weshalb die 15 Hauptmissionen und 15 Nebenmissionen ganz klar
das Highlight des Spiels sind und einen für knapp acht bis zehn Stunden
an den Fernseher fesseln werden.
Dazu kommt ein super Spielgefühl – abseits vom miesen Kampf. Jede
einzelne Bewegung geht wieder in Mark und Blut über und man wird sich
schnell in der Welt zurechtfinden sowie eigene Wege und Möglichkeiten
finden, noch schneller durch die Umgebungen zu traversieren. Vor allem
Serien-Veteranen können sich darüber freuen, dass die Steuerung immer
noch genauso funktioniert, wie im ersten Teil, und eine Umgewöhnung fast
gar nicht nötig ist – zumindest solange man die wichtigsten
Bewegungs-Skills freischaltet. Wenn man also nur der Geschichte folgt
und von den ganzen Neuerungen absieht bekommt man einen konsequenten
Nachfolger geboten, der sowohl Fans als auch Neulinge ansprechen kann.
Wenn man sich nur Bilder zu „Catalyst” anschaut, dann denkt man
zunächst, das wären Bullshots des ersten Teils. Zwar sieht alles viel
hübscher aus aber der Stil ist immer noch genau der Gleiche und man
bekommt auch beim Spielen das Gefühl nicht los, dass so manche Textur
vor allem bei den Charakter-Modellen aus dem Vorgänger genommen und nur
ein wenig überarbeitet wurde. Zwar gibt es
hier und da Ruckler, die stören aber meist nicht das Spielgeschehen und
auch das nervige Tearing, das den ersten Teil auf der Konsole plagte,
wurde komplett dezimiert. Der Soundtrack ist wieder eine ganz
atmosphärische Mischung aus futuristischen Klängen und erzeugt ein sehr
modernes Ambiente, was perfekt zu der sterilen Umgebung passt.
„Mirror’s Edge Catalyst” ist wie schon der erste Teil ein Experiment.
Leider sind die Versuche dieses Mal einfach nicht geglückt. Aber tief im
Kern ist immer noch genau das vorhanden, was Veteranen sich von einem
Nachfolger gewünscht haben. Dazu kann das Spielprinzip auch Neulinge
wieder begeistern. Wer also einfach nur Laufen, Springen und Rollen
möchte und die neuen Konzepte bis auf den aufgezwungenen Kampf
weitestgehend ignoriert, der wird einige Stunden tollen, linearen
Parcours-Spaß bekommen.
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