geschrieben von N. Zwanzig am 07.11.2015
Manchmal gibt es Momente, in denen ein Spiel mehr ist, als
ein Spiel. Da ist dieses gewisse Gefühl, dass alles passt. Bei Sportspielen ist
dies normalerweise eher selten der Fall, da diese keine Geschichte erzählen,
sondern lediglich versuchen, die Wirklichkeit möglichst genau abzubilden.
Schafft es eine solche Simulation jedoch, echte Emotionen aus der Realität zu
erzeugen, ist das wahrlich eine Leistung.
Fußball ist eine Achterbahn der Gefühle. Mal neunzig Minuten
Hochspannung und Ekstase, mal die pure Langeweile und alles dazwischen. Es gibt
Situationen, an die man sich noch Jahre später erinnert. Siege und Niederlagen,
die man nie vergisst.
Einst schaffte es PES 6 auf der Playstation 2 die Fans
derart zu begeistern, dass es bis zum heutigen Tag von einigen nahezu religiös
verehrt wird und nicht unverdient als Glanzlicht der Reihe gilt. Mit Pro
Evolution Soccer 2016 ist Konami neun Jahre später erneut der große Wurf
gelungen. Was PES in diesem Jahr so besonders macht, lest ihr im Test.
Das Unerklärbare erklären
Es ist schwer zu beschreiben, in welchen Punkten das neue
PES verbessert wurde, weil extrem viel an minimalen Details geschraubt wurde,
die sich im ersten Moment nicht offenbaren. Am auffälligsten ist wohl die noch
bessere Physik. Wenn zwei Spieler um den Ball kämpfen und dabei drängeln und
schubsen, entsteht der Eindruck, dass wirklich zwei unterschiedliche Körper mit
eigener Masse aufeinander treffen. Der Ausgang eines Zweikampfes ist weniger
vorhersehbar als früher. Diese "Körperlichkeit" fehlt dem
Konkurrenten FIFA, wo es manchmal den Anschein hat, als würden die
Profisportler nur 50 kg wiegen, wenn sie über den Platz schweben.
Ein besonderes Highlight ist die Individualität der
einzelnen Kicker. Spieler mit einem niedrigen Körperschwerpunkt lassen sich
prima kontrollieren und entgehen dank ihrer Flinkheit so mancher Grätsche. So
umkurvt ihr beispielsweise mit Alexis Sanchez reihenweise Verteidiger, wenn ihr
die zahlreichen Steuerungsfeinheiten verinnerlicht habt.
Auch bei den Schüssen gibt es Unterschiede zwischen den
Stürmern. Ladet ihr die Schussanzeige fast voll auf, landet der Ball
üblicherweise auf der Tribüne statt im Tor. Habt ihr aber einen Pferdefuß wie
Carlos Tevez in euren Reihen, gelingen so extrem kraftvolle Flachschüsse, die
dem Keeper Probleme bereiten werden.
Apropos Torhüter: Auch diese wurden optimiert und zeigen
sich nun reaktionsfreudiger und schneller. Leider benutzen sie einmal zu oft
lieber die Fäuste, statt den Ball zu fangen, was unnötig Chancen für den Gegner
kreiert.
Entschärft wurde die Strenge der Schiedsrichter, was dem
Spielfluss zu Gute kommt. Wurden Partien früher vom extrem kleinlichen Referee
teilweise zerpfiffen, kommt man heute auch mal mit einem gröberen Tackle davon,
vorausgesetzt der Ball ist das Ziel der Attacke und nicht das Schienbein des
Gegenspielers.
In der Tiefe liegt die Kraft
Was Pro Evo schon immer besonders machte, ist die taktische
Tiefe. Den Einstellungen im Strategie-Menü sind nahezu keine Grenzen gesetzt.
Formation, Deckungsschema, Schützen, Positionen - alles kann nach euren
persönlichen Vorlieben gestaltet werden.
Waren diese Optionen früher in komplizierten und
verschachtelten Menüs versteckt, gibt euch das überarbeitete Interface nun eine
deutlich schlankere und benutzerfreundlichere Oberfläche. Auch die Meisterliga profitiert
von dieser Reduzierung auf das Wesentliche. So findet man sich nun deutlich
besser zurecht, da dynamische Kacheln eine gute Übersicht bieten. Mit dieser
längst überfälligen Neu-Interpretation ist der Meisterliga-Modus endlich wieder
ein Highlight von PES.
Ebenfalls neu ist die Konstellation in der
Kommentatoren-Kabine. Da Wolff Fuss zum Konkurrenten FIFA gewechselt ist, übernimmt
nun Marco Hagemann das Mikrofon als Hauptkommentator. Ihm steht weiterhin Hansi
Küpper für die Analyse zur Seite. Zwar wurden einige neue Sätze eingesprochen
und dafür alte Phrasen entfernt, jedoch wirken viele Kommentare eher belanglos
und werden mit wenig Dynamik vorgetragen. Oftmals passen die Spielsituation und
der zugeordnete Spruch einfach nicht zusammen. Hier besteht weiterhin Verbesserungsbedarf.
Auch die Probleme mit den Servern im Online-Modus scheinen
der Vergangenheit anzugehören. Hatte man früher häufig mit Lags oder
Verbindungsfehlern zu kämpfen, so sieht es zum jetzigen Zeitpunkt sehr
vielversprechend aus. Nur ein paar kleinere Verzögerungen im Spiel konnten wir
bisher feststellen, glücklicherweise nicht in entscheidenden Situationen.
Im
Schatten vom Konkurrenten FIFA, der was Lizenzen und Verkaufszahlen angeht auch
in den nächsten Jahren wohl nicht einholbar ist, hat sich Konami darauf
konzentriert, das bestmöglichste Spiel für die Fangemeinde abzuliefern. Dies
ist definitiv gelungen. Wer den Fußball liebt und auf manche Lizenzen
verzichten kann, sollte in diesem Jahr auf jeden Fall zu PES 2016 greifen. Nach ein paar
schwächeren Jahren ist die Serie zurück auf der großen Bühne und eine wertvolle
Alternative auf dem Markt.
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