geschrieben von N. Zwanzig am 27.11.2014
Eine bekannte Weisheit aus der Wirtschaft lautet
"Konkurrenz belebt das Geschäft". Bei starkem Wettbewerb müssen alle
Teilnehmer ihre Produkte und Leistungen ständig verbessern, damit sie
konkurrenzfähig bleiben. Dies war auch in Sachen Fußballsimulationen auf
Konsole lange der Fall. Hier lieferten sich FIFA von EA Sports und Pro
Evolution Soccer (PES) von Konami einen erbitterten Kampf um den Thron als
bestes Fußball-Spiel. Zwar gab es auch noch Sony's "This Is Football"
(TIF) oder die "Club Football"-Reihe von Codemasters, jedoch konnten
diese sich nicht gegen die "Großen Zwei" durchsetzen und verschwanden
wieder vom Markt.
Zu Beginn ein kleiner Geschichts-Exkurs für Interessierte (alle anderen bitte
runterscrollen): Besonders die PS2-Ära war von diesem Wettkampf geprägt. Seit
PES 2001 debütierte, verbesserte sich die Serie mit jedem neuen Ableger spürbar
und machte von Anfang an den Anspruch geltend, den höchsten Grad an Realismus
zu bieten. Mangelnde Lizenzen und die biedere Präsentation machte man durch überragende
Ballphysik und Spieltiefe wett und viele Spieler riskierten einen Blick auf den
"Außenseiter" von Konami und wurden nicht enttäuscht. Während die
Neuauflagen der FIFA-Serie oft lediglich optische Verbesserungen und einen
erhöhten Umfang boten, feilten die Entwickler von PES an der KI und dem
Spielgefühl auf dem Platz, da man mit geringeren Mitteln im Vergleich zu EA bei
den Lizenzen größtenteils im Nachteil war.
So kam es, dass Pro Evo immer
beliebter wurde und mit PES 6 (2006) FIFA vom Thron stieß. Noch heute halten
viele Fans diesen Teil als einen der besten aller Zeiten. Dies blieb natürlich
nicht unbemerkt und EA versuchte nun, die FIFA-Reihe auf ein neues Level zu
heben, um den Stempel "Vollpreis-Update" wieder los zu werden. Bei Konami fand ebenfalls ein Umdenken statt. So wollte man nun auch in
Sachen Präsentation und Umfang auftrumpfen und konzentrierte sich die nächsten
Jahre (und die nächste Konsolengeneration) darauf, in diesen Bereichen Boden
gut zu machen. Der Fokus lag nun auf dem Erwerb neuer Lizenzen und der optischen Verbesserung, statt auf den alten Stärken im Gameplay. Dies gab FIFA Gelegenheit aufzuholen und in der Folgezeit
duellierte man sich auf Augenhöhe.
2010 kam es wieder zu einer Trendwende. EA schraubte ordentlich an den neuen
FIFA-Teilen und bot seit langem wieder echte Innovationen und ein
simulationslastigeres Gameplay als zuvor. PES verpasste es nachzulegen und die
Serie verlor zunehmend an Bedeutung, welche mit PES 2014 den Tiefpunkt
erreichte. Mit PES 2015 sollte alles wieder anders werden, versprach Konami,
als man sich gegen eine Next Gen Version von PES 2014 entschied und sich lieber
mehr Zeit für die Entwicklung ließ. Warum Pro Evolution Soccer 2015 die alte
Rivalität neu entfacht, lest ihr im Test.
Der alte Glanz ist zurückDie größte Stärke von Pro Evolution Soccer 2015 liegt wieder auf dem Platz. Hier zeigt sich schnell der prägnanteste Vorteil gegenüber dem Konkurrenten: Die KI. Es ist keine Übertreibung, diese als eine der Besten zu bezeichnen, die bisher in einem Sportspiel verwendet wurden. Gerade an den kleinen Unterschieden wird dies deutlich. Außenverteidiger bieten sich in der Vorwärtsbewegung auf dem Flügel an, Mittelfeldspieler lassen sich bei Ballverlust zurückfallen, Abwehrspieler machen einen Schritt nach vorn, um den Stürmer ins Abseits laufen zu lassen und Torwarte sprinten aus dem Kasten, um dem nahenden Angreifer den Ball wegzuschlagen. Dabei passieren nur selten Fehler und diese sind eher auf das eigene Unvermögen zurückzuführen, als auf fehlerhafte Programmierung.
Die angesprochene Intelligenz kommt auch bei eurem virtuellen Gegenspieler zum Tragen. Die CPU wird gezielt nach Schwächen suchen und reagiert auf den Spielverlauf. Kassiert einer eurer Verteidiger eine gelbe Karte, so werden die nächsten Angriffe des Kontrahenten eher über diese Seite laufen, um einen Platzverweis zu provozieren. Sind eure Innenverteidiger relativ langsam, wird der Gegner versuchen, sie mit Laufpässen auf schnelle Stürmer oder mit hohen Bällen zu überlisten.
Es gibt aber niemals einen sicheren Weg zum Sieg. Zwar sind Ecken mit halb aufgeladener Kraftanzeige in die Mitte des Strafraumes immer noch ziemlich mächtig, aber zweimal hintereinander wird so kein Tor fallen. Nach einem typischen schnellen Konter von Real Madrid, den Cristiano Ronaldo mit dem Führungstor formschön vollendet hat, wird das gegnerische Team versuchen die Laufwege zuzustellen oder anfangen, den Spieler zu doppeln, um die Torgefahr spürbar zu verringern. So braucht es dann manchmal einen unglücklichen Abpraller in den Schlussminuten, um das Spiel endgültig zu entscheiden. Das ist Fußball!
Extrem wichtig sind auch Geschwindigkeit und Ausdauer. Wer mit gedrückter Sprinttaste ständig nach vorne peitscht wird erstens leichter getackled und verliert gleichzeitig viel Kraft. Die Spieler ermüden spürbar über die 90 Minuten. Man sollte sich also seine Sprints für den richtigen Zeitpunkt aufheben, um effektiv zu sein. Stürmer zeigen oft per Handzeichen an, wenn sie eine Lücke gefunden haben. Dann ist der richtige Zeitpunkt das Tempo anzuziehen und die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs deutlich höher, als wenn man mit Vollspeed auf eine gut organisierte Abwehr zuläuft. Selten hat man zuvor gesehen, dass sich Auswechslungen so krass auf den Spielverlauf auswirken. Auch der Gegner ermüdet. Dies macht sich vor allem im letzten Drittel des Spiels bemerkbar. Bringt man einen frischen Stürmer, nachdem sich die Abwehr des Gegners bereits verausgaben musste, hat man einen entscheidenden Vorteil im Eins-gegen-Eins.
Alte LeidenSpielerisch
stimmt also alles bei PES 2015. Doch was ist mit dem Rest? Abermals haben sich
die Entwickler bemüht, mehr Lizenzen zu erwerben, um den Umfang zu erhöhen. Die
UEFA Champions League und die Europa League sind exklusiv bei PES zu haben.
Jedoch konnten nicht alle Teams vollständig lizensiert werden. Neu im Spiel
sind die Copa Sudamericana und die zweiten Ligen aus Spanien und Frankreich.
Die englische zweite Liga ist lediglich mit originalen Spielernamen vertreten.
Des Weiteren sind die Argentinische Primera Division und die Brasilianische
Liga enthalten. Auf die Bundesliga müssen Fans aufgrund der Exklusivrechte von
EA leider wieder verzichten. Die drei lizensierten deutschen Teams sind der FC
Bayern München, Schalke 04 und Bayer Leverkusen. Hier wird die fleißige
Community aber wieder schnell mit einem Patch nachhelfen, sodass auch PES
Spieler in den Genuss aller Topmannschaften kommen werden.
Leider hängt PES auch in Sachen Präsentation wieder ein bisschen hinterher.
Zwar sehen die Spielermodelle dank der hauseigenen Fox-Engine grandios und
realistisch aus (zum Teil deutlich besser, als bei FIFA), jedoch ist die
Inszenierung der Spiele immer noch etwas bieder. Dies gilt auch für den
Meister-Liga-Modus, der atmosphärisch nicht mit dem Karrieremodus des
Konkurrenten mithalten kann. Hier bedarf es dringend einer kompletten
Überarbeitung. Der neue myClub-Modus als Gegenstück zu FIFA Ultimate Team krankt auch an der nüchternen Präsentation, obwohl er spielerisch auftrumpfen kann. Das Erstellen seines eigenen Dream-Teams macht wirklich Spaß und motiviert auf lange Sicht. Das Menü sieht im neuen PES deutlich aufgeräumter als zuvor aus und man kann sich seine favorisierten Spielmodi auf die Startseite legen, um schnellen Zugriff zu haben. Der Soundtrack ist zwar nicht sehr umfangreich, bietet aber dennoch einen guten Mix aus Genres, sowie etablierten Stars und Newcomern.
Im Multiplayer gegen Freunde ist PES über jeden Zweifel erhaben. Die Matches machen einfach extrem Laune und es kommt zu typischen "Pro Evo Momenten", wenn man zum Beispiel einen Freistoß aus 30 Metern nur ganz knapp auf die Latte setzt oder in einer turbulenten Strafraumszene der Ball über 5 Stationen doch irgendwie im Tor landet. Authentischer geht es kaum. Der Online-Modus hat jedoch wieder mit Problemen zu kämpfen, was in den letzten Jahren keine Seltenheit war. Konami hat aber bereits versprochen, dass es sich lediglich um Startschwierigkeiten handelt und dass die Server schnellstmöglich wieder funktionieren werden. Dies wäre wünschenswert, da viele Fans großen Wert auf Online-Duelle legen.
Pro Evolution Soccer 2015 hat in diesem Jahr trotz einiger altbekannter Schwächen in Sachen Umfang und Präsentation die Nase vorn. Spielerisch ist es dem Konkurrenten FIFA 15 überlegen und Konami hat mit dem Marketing-Spruch "The pitch is ours" den Nagel auf den Kopf getroffen. Wer die fehlenden Lizenzen und die weniger spektakuläre Inszenierung verkraften kann, sollte auf jeden Fall zu PES greifen. Denn auf dem Platz ist Konamis Kick einfach überragend und definitiv einer der besten Teile der Serie.
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